Tango mit allen oder allein?

Respektvolles miteinander ist unerlässlich für das Tangotanzen. So vielfältig die Stile, die Vorlieben und die Philosophien, die es in jeder lokalen Szene als auch im weltweiten Tango-Zirkus gibt, so klar ist das Fundament, auf dem wir uns alle gemeinsam bewegen: Improvisation im Einklang zur Musik und der Ronda. Freiheit in Einklang mit respektvollem Umgang miteinander.

Obwohl es kein goldenes Regelwerk des argentinischen Tangos gibt und auch (fast) keine Tango-Regelwächter, die korrektes Verhalten überwachen, kannst Du trotzdem nicht nur für Dich allein entscheiden, wie du tanzt und wie du dich verhältst. Alles, was du auf der Tanzfläche tust, hat immer Konsequenzen für andere, für die du mitverantwortlich bist. Das erfordert besonders umsichtiges Verhalten.

Wenn ein Führender eine Folgende mit den Armen steuert, Schlangenlinien durch die Tanzfläche tanzt und Kollisionen nicht aus dem Weg geht, wenn eine Folgende sich unabhängig von der Führung mit hohen Boleos und großen Verzierungen frei artikuliert, kann er oder sie das nicht mit einer persönlichen Vorliebe rechtfertigen. Solch ein Verhalten greift in den Raum und vor allem das Erleben der anderen Tanzenden ein. Blaue Flecken und zerbrochene Gläser sind die Folgen davon.

Beim Inklusionstango habe ich oft das Gefühl, dass das gemeinsame Erleben besser gelingt. Das Miteinander ist von einem tiefen Respekt und einer echten Akzeptanz von allen für alle geprägt. Bei diesen Veranstaltungen kann ich mich öffnen, Freude empfinden und tief berührt sein.

Bei anderen Tangoveranstaltungen gelingt mir das nicht immer so gut. Hier steht oft der individuelle Ausdruck im Vordergrund. Der Schwächen der Mittanzenden begegnen viele wenig tolerant und bisweilen auch ungnädig.

Wir können jedoch auch auf nicht-inklusiven Milongas davon profitieren, einen bewussten und achtsamen Umgang mit den Schwächen anderer zu entwickeln. Dadurch verliert das eigene Tanzen nicht an Qualität. Im Gegenteil: Es entsteht eine vertrauensvolle Umgebung, in der das gemeinsame Erleben intensiver und das Gefühl für jede:n von uns tiefer wird.